Das Fenster zur Welt by Jürgen Bauer

Das Fenster zur Welt by Jürgen Bauer

Autor:Jürgen Bauer [Bauer, Jürgen]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Septime Verlag
veröffentlicht: 2015-06-20T16:00:00+00:00


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Als Michael am Morgen erwachte, ohne dass ihn das Klingeln des Telefons geweckt hatte, wusste er sofort, dass etwas nicht stimmte. Bisher hatte Ilse immer angerufen, um ihm von der Nacht zu berichten und ihn zu fragen, ob er auch an diesem Tag wieder ins Krankenhaus käme, um sie abzulösen, wie sie sich ausdrückte. Sie schoben streng organisierten Dienst. Er war bisher jeden Tag gekommen und trotzdem war das frühmorgendliche Telefonat zu ihrem kleinen Ritual geworden, das Ilse die Möglichkeit gab, mit jemand anderem als den Ärzten und Krankenschwestern zu sprechen, und das Michael schon beim Aufwachen versicherte, dass alles in Ordnung war. Ilse verbrachte jeden Nachmittag und Abend im Krankenhaus. Die meisten Nächte hatte sie außerdem auf der Sofagarnitur im Wartezimmer übernachtet, bis die Krankenschwestern ihr schließlich ein freies Bett zur Verfügung gestellt hatten, auf dem sie seither schlief. Sie war nicht dazu zu überreden gewesen, in ihrem Zimmer am Hof zu übernachten, sosehr ihr die Schwestern auch versicherten, sofort anzurufen, sollte sich irgendetwas an der Situation ihrer Mutter verändern. Für Michael konnte Ilse ihre Mutter in keinem Fall verleugnen: Die ersten Nächte waren die Schwestern über ihre Hartnäckigkeit verärgert gewesen, doch mit der Zeit hatte sich dieser Ärger in Respekt verwandelt, den auch Michael zu teilen begann.

Nach ihrem ersten Gespräch hatte er Ilse anders eingeschätzt, doch ihre Sturheit und das freundliche, aber doch bestimmte Beharren auf ihren kleinen Schlafplatz hatte ihm Bewunderung abgerungen. Den Vorschlag, Hanna in ein Krankenhaus zu Hause zu überstellen, hatte Ilse abgelehnt. Mehr aus Feigheit, wie sie selbst zugab, als aus rationalen Überlegungen heraus. Sie wollte kein Risiko eingehen. Vielleicht hatte sie ihrer Mutter auch nur den Stress ersparen wollen, mit Michael hatte sie nie über alle ihre Gründe gesprochen.

Johannes fuhr Michael jeden Morgen nach Ilses Anruf ins Krankenhaus, damit Ilse ein wenig Zeit für sich am Hof hatte. Ihr Mann hatte ihr Kleidung geschickt, ursprünglich hatte sie nur wenige Sachen zum Wechseln dabei gehabt. Johannes selbst kümmerte sich weiterhin um den Hof und die Tiere und besuchte Hanna nur selten. Michael vermutete, dass Johannes Angst davor hatte, die Frau, die er so lange nicht gesehen hatte, jetzt plötzlich so hilfsbedürftig und krank vorzufinden.

»Sie hat noch Wein getrunken, am Abend vorher«, hatte Johannes einmal zu Michael gesagt, »und plötzlich das. Von einer Sekunde auf die andere.«

Abseits davon tauschten Michael, Johannes und Ilse hauptsächlich medizinische Details untereinander aus, die sie sich gegenseitig zu erklären versuchten, lebten aber nebeneinander her, ohne wirklich Zeit miteinander zu verbringen. Nur Ilse half wie selbstverständlich im Stall aus, wenn sie vormittags Zeit hatte und nach einer Nacht im Krankenhaus nicht zu müde war. Erst nach einigen Tagen konnte sich auch Johannes überwinden, Hanna zumindest hin und wieder einen Besuch abzustatten. Wenn dann gerade Ilse bei ihrer Mutter war, blieb sie mit ihnen beiden im Zimmer, doch wenn Michael bei Hanna saß, ging dieser nach ein paar kurzen Worten in die Cafeteria und bestellte sich eine Kleinigkeit zu essen, bis Johannes zu ihm herunter kam und ihm Gesellschaft leistete. Michael wusste



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